07.03.2008

Zu Fuß bis zu den Kratern des Ätna

Majestätisch thront der Ätna über der sizilianischen Ebene.
Aus der Ferne wirkt der Berg unerschütterlich. Doch die Fassade täuscht. Unter der Oberfläche des größten aktiven Vulkans in Europa brodelt es gewaltig.
Jeden Moment kann es krachen. Dennoch - oder gerade deswegen - boomt der Ätnatourismus seit Jahren. Die Besteigung der rauchenden Gipfelkrater gehört zu den eindruckvollsten Erlebnissen einer Sizilien-Reise.
Handschuhe und Mütze müssen mit ins Gepäck. Zwar heizt die Sonne schon seit Tagen die sizilianische Ostküste auf, doch am wolkenverhangenen Berg ist davon nichts zu spüren. Auf 1900 Meter Höhe liegt das Rifugio Sapienza, der zentrale Treffpunkt für Ätnatouristen. Hier startet die Seilbahn, die Schaulustige und Tourengänger in die Nähe der Krater befördert.
Touristennepp entgehen
Obwohl die steinig-staubige Landschaft rund um den Groß-Parkplatz kaum karger sein könnte, geht es im Rifugio zu wie auf einem Rummelplatz: Souvenirhändler, Postkartenverkäufer, Barbesitzer und selbsternannte Reiseführer buhlen um die Aufmerksamkeit der zahlungskräftigen Besucher. Wer dem Touristen-Nepp entgehen möchte, bucht am besten frühzeitig eine professionell geführte Tour.
Zunächst geht es mit der Seilbahn und geländegängigen Bussen durch die Wolkendecke hindurch auf 2700 Meter Höhe - mitten hinein in eine sonnenbeschienene Steinwüste. Hier trennen sich die Wege von ambitionierten Wanderern und Panoramatouristen. Wer sich bei keiner Tour angemeldet hat, muss sich damit begnügen, die Nuovi Coni - die durch den Ausbruch im Winter 2002 neu entstanden kleinen Krater - zu bewundern. Die Gruppe um den Schweizer Bergführer Andrea Ercolani nimmt dagegen Kurs auf den Zentralkrater in 3300 Meter Höhe.
Ungelenkes Balancieren
Die erste Etappe führt über eine Geröllstraße aus erkalteten Lavabrocken. Während die Gruppe ungelenk über den scharfkantigen schwarzen Untergrund balanciert, gibt Ercolani einen Überblick über die Geschichte des Vulkans: Vier Hauptkrater haben sich in den vergangenen Jahrtausenden in den Berg gesprengt. Durch neue Ausbrüche bilden sich immer neue Krater, ihre Ränder haben nie lange Bestand. Daher kann man die Höhe des Ätna auch nicht auf den Meter genau angeben. Schon einen Tag später könnte die Zahl veraltet sein.
Bislang ist noch kein Grummeln zu hören. Nur ein eiskalter Wind pfeift den Wanderern um die Ohren. Der Weg nach oben ist beschwerlich, aber die Aussicht, die sich über das sizilianische Landesinnere bietet, belohnt die Strapazen: Bei klarem Wetter reicht der Blick vom Thyrrenischen Meer im Norden bis zum Ionischen Meer an der Südostküste der Insel.
Luft wird dünner
Nach drei Stunden Aufstieg durch eine graue Mondlandschaft wird die Luft immer dünner. Aus allen Bodenritzen dringt Schwefel, der Wind bläst stürmischer und sticht wie mit Messern aus Eis auf ungeschützte Stellen im Gesicht ein. «Wenn wir jetzt gleich zum Kraterrand kommen, und ihr hört einen Knall: Keine Panik!», ruft Ercolani, «Rucksack auf den Kopf und langsam runtergehen! Nicht rennen!» Gefährlich sei der Abstecher zum Kraterrand normalerweise nicht, erklärt der Vulkanführer.
Über Funk sei er mit einer seismologischen Überwachungsstation verbunden, die jedes Zucken des Berges registriert. Größere Ausbrüche lassen sich rechtzeitig vorhersagen, aber Gesteinsbrocken, die unvermittelt aus dem rauchenden Schlund geschleudert werden, könnten unangenehm werden.
Atemberaubender Blick
Der Blick in den Krater ist im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubend. Ein betäubender Schwefelgestank frisst sich durch die als Mundschutz mitgebrachten Tücher, brennt in den Rachen und schnürt den Atem ab. Ercolani rollt einen Stein den Hang hinab, der nach kurzer Zeit im Vulkannebel verschwindet. Irgendwann ist ein dumpfer Knall zu hören. Das explosive Gemisch scheint nicht besonders weit entfernt. Ercolani treibt zur Eile an, zu lange sollte man nicht bleiben. Die Hälfte der Gruppe hustet. Gesund ist die Bergluft hier oben sicherlich nicht.
Der Abstieg gestaltet sich bequemer als erwartet. Nach einer Pause im Windschatten bizarrer Lavaformationen geht es an einem weiteren Krater vorbei zu einem aschgrauen Sandhang. «Jetzt dürft ihr Skifahren!» ruft Ercolani und spurtet los. «Immer mit den Fersen voran!» Tatsächlich lassen sich die 600 Höhenmeter mit Freestyle-Technik in nur wenigen Minuten zurücklegen. Kurze Zeit später ist das Rifugio erreicht. Dort wird schon der nächste Trip geplant: Man sollte zum richtigen Skifahren wiederkommen - bis in den Juni hinein liegt auf der Nordseite des Vulkans Schnee. (Caroline Mayer, dpa)

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